Sarah Illenberger und der neue Blick auf Alltagsdinge 

Bevor wir Sarah Illenberger überhaupt kennenlernen, hat sie eine kleine Bitte an uns: Sammelt unterschiedliche Blätter und bringt sie mit zu mir ins Atelier. Das machen wir natürlich gerne und finden, trotz der schon kargeren Bäume, ganze Blättersträuße. Wofür wir die wohl brauchen werden?

Die Ateliertür von Sarah Illenberger
Der Weg in das Atelier von Sarah Illenberger
Ein Regal mit Kunstwerken von Sarah Illenberger in ihrem Atelier

Sarah begrüßt uns freundlich und führt uns in einen Vorraum ihres Ateliers, das sich in den Gerichtshöfen im Wedding befindet. Hier stärken wir uns und hören Sarah gespannt zu. Sie erzählt uns von ihren Nachbarn im Gebäudekomplex – viele kreative Menschen und Künstler*innen sind darunter, aber auch ein Softeis-Fabrikant und sogar (passenderweise) eine Firma, die Zahnpasta zum Kauen herstellt – und, dass sie in London Grafikdesign und Illustration studiert hat. Künstlerin ist sie aber auch! Ihre Arbeiten zeigt sie in Ausstellungen, in Magazinen, im Internet und ab und zu in Schaufenstern. Zum Beispiel hat sie eine Wiesenlandschaft mit Gräsern, Blumen und Insekten aus Metall bauen lassen, die sie dann ins Schaufenster eines Geschäfts gestellt hat. Da wundert es uns nicht, dass die Natur ihre größte Inspirationsquelle ist: Sie ist die beste Künstler*in, findet Sarah. Solch eine Vielfalt an Farben und Formen kann sich sonst niemand ausdenken.

Sarah erzählt weiter, dass sie schon als Kind immer gebastelt und sich Geschichten ausgedacht hat. Es macht sie bis heute glücklich mit unterschiedlichstem Material zu arbeiten und etwas mit den Händen zu machen. Da gibt es unendliche Möglichkeiten!

Das Atelier von Sarah Illenberger
Sarah Illenberger beim Interview mit den Ephra-unterwegs Kindern
Das Atelier von Sarah Illenberger

Nach dem Gespräch führt Sarah uns in ihr Atelier. Hier gibt es so viel zu entdecken! Wir machen Halt vor einem Regal, das mit vielen Objekten gefüllt ist. Wir sehen eine große Muschel mit einem Telefonkabel daran, einen haarigen Apfel, eine Axt, deren Klinge eine Zigarettenschachtel ist, eine Peitsche aus schwarzen Lakritzschnüren statt Leder oder ein gestricktes Oberteil aus Absperrband. Und ist das da ein Spiegel oder ein Tischtennisschläger, eine Diskokugel oder ein Motorradhelm? Sarah spielt in ihrer Kunst mit Gegenständen, mit Materialien und Gegensätzen – und mit Irritation. Bei einer Säge denkt man zum Beispiel sofort „Achtung! Gefährlich, nicht anfassen!“. Mit Sarahs Säge hingegen möchte man sich über die Finger streichen, denn das Sägeblatt besteht aus einer weichen Feder.

Kritzeleien auf Stoffbahnen im Atelier von Sarah Illenberger

Manchmal stehen die Objekte für sich, meistens aber inszeniert und fotografiert Sarah ihre Werke noch einmal auf ganz besondere Weise und rückt sie ins rechte Licht – denn Licht ist bei Fotografie das Wichtigste. Sie gibt zu: Oft muss sie mit Photoshop noch ein bisschen nachhelfen und helfende Hände oder Befestigungen retuschieren (also am Computer so verändern, dass stützende Zahnstocher oder Fäden verschwinden).

Im Atelier hängen außerdem viele Vorhänge mit bunten Kritzeleien drauf. Sie fragt, ob wir uns vorstellen können, woher die kommen? Jahrelang hat Sarah die kleinen Zettelchen aus Schreibwarenläden mitgenommen, auf denen Menschen Stifte ausprobiert haben. Die hat sie alle eingescannt, neu zusammengesetzt, vergrößert und auf Stoff gedruckt. Wie ein abstraktes Gemälde sieht das aus – nur weiß niemand von den Stifttester*innen, dass sie Teil eines Kunstwerks wurden. Auch hier verändert Sarah Dinge durch einen neuen Blick auf sie – aus Kritzelei wird Kunst.

Und was verbirgt sich eigentlich hinter den Stoffbahnen? Da ist Sarahs riesiges Materiallager – jedes Material hat seine eigene Kiste. Dort liegen die Steine, da die Muscheln, hier Luftballons, Girlanden und vieles mehr, das sie sich zusammengesucht hat. Sarah sammelt ganz schön viele alltägliche Dinge und entdeckt darin immer wieder etwas Neues. Zum Beispiel zeigt sie uns ein Blatt, das sie mal auf der Straße in Paris gefunden hat. Es sieht aus wie rote Lippen.

Ephra-unterwegs Kinder legen Gesichter aus Blättern
Ephra-unterwegs Kinder legen Gesichter aus Blättern
Ephra-unterwegs Kinder legen Gesichter aus Blättern

Mit den mitgebrachten Blättern sollen wir nun unsere eigenen Gesichter darstellen – so wie viele Künstler*innen vor uns sich selbst portraitiert haben, wenn auch in ganz unterschiedlichen Stilen. Wir reißen, schneiden, falten, hauen Kreise aus unseren Blättern und überlegen: Was ist typisch für mich? Mache ich eine Dreiecksnase oder eine freie Form? Jede kleine Veränderung und Verschiebung der Blätter ändert den Ausdruck auf unseren Natur-Selfies.

Zum Schluss bekommen wir von Sarah alle ein Buch mit ihren Arbeiten geschenkt. Zwischen die Seiten legen wir unsere Blattgesichter, allerdings ohne sie vorher befestigt zu haben. Mal gucken, wie sich der Ausdruck über den Transport hinweg verändert – bestimmt haben wir immer noch ein dickes Lächeln auf den Blattlippen!

Ein Stapel von Büchern von Sarah Illenberger
Ein Gesicht aus Blättern, welches ein Ephra-unterwegs Kind gestaltet hat
Zurück
Zurück

Immer in Bewegung mit Ilya Barrett

Weiter
Weiter

Spuren, Probleme und Lösungen suchen mit Nadia Kaabi-Linke