Vlado Velkovs Wirklichkeitserweiterungen

Vlado Velkov arbeitet eigentlich überall. Er hat ein kleines Atelier in Berlin und ein größeres in Brandenburg, am meisten passiert aber draußen im öffentlichen Raum, weswegen er sich nicht als Atelierkünstler bezeichnen würde. Wir treffen ihn im Ephra Atelier im Prenzlauer Berg, wo er uns schon mit Neugier in den Augen erwartet.

Zuallererst will Vlado tatsächlich ganz viel von uns wissen: Welche Kunstwerke kennen wir, die draußen zu sehen sind? Uns fallen natürlich Statuen ein oder Skulpturen (auf dem Weg hierher haben wir eine aus Schrauben und Metall gesehen) und Bilder, die an Mauern gesprüht sind (Street-Art sagt Vlado dazu). Aber auch Performances kennen wir, wenn Menschen Kunststücke aufführen oder sich als Statuen verkleiden. Und sogar in der Luft gibt es Kunst, zum Beispiel wenn Flugzeuge weiße Wolkenformen in den Himmel malen.

Installationsansicht von Vlado Velkov und Inge Mahn

„Stand und Verfassung“, 2020, Installation von Inge Mahn und Vlado Velkov über dem Wolziger See, © Inge Mahn und Vlado Velkov

Vlado zeigt seine Kunst auch gerne draußen, vor allem in Seen. Im Gegensatz zu Museen oder Galerien ist der Raum im Wasser weder durch Wände noch Decken beschränkt – und nicht mal einen festen Boden gibt es, da der Wasserspiegel je nach Jahreszeit und Regenmenge steigt beziehungsweise fällt. Im ersten Winter der Covid-Pandemie hat Vlado einen Weihnachtsbaum inmitten eines großen Sees aufgestellt. Mit Blick auf den Baum konnte Weihnachten am Ufer an der frischen Luft und mit großem Abstand gefeiert werden. Genau wie der Lockdown damals immer wieder verlängert wurde, blieb auch der Weihnachtsbaum auf dem See, bis die Kontaktbeschränkungen gelockert wurden. Auf dem Video können wir sehen, wie die Jahreszeiten vergehen und der Baum dabei im ganz wörtlichen Sinne durchdreht: Ein kleiner Motor drehte den Baum so schnell um die eigene Achse, dass er aussah, als würde er tanzen und seine silbernen Kugeln weit von sich werfen.

Ephra-unterwegs-Kinder probieren auf einem IPad die Arbeit von Vlado Velkov aus
Ephra-unterwegs-Kinder probieren auf einem Handy die Arbeit von Vlado Velkov aus.

Am liebsten arbeitet Vlado mit anderen Künstler*innen zusammen. Häufig entstehen seine Kunstwerke zu zweit oder in einer größeren Gruppe. Er hat auch lange als Kurator gearbeitet. Das ist die Person, die Ausstellungen plant, sich Konzepte ausdenkt, Künstler*innen aussucht und sie dazu einlädt, Arbeiten zu einem bestimmten Thema oder an einem bestimmten Ort zu zeigen. Das kann in einem Museum passieren oder eben auch draußen, im öffentlichen Raum. Zum Beispiel – wer hätte es gedacht – in, auf, über und an einem See!

Genauso ungewöhnlich wie die Orte, die sich Vlado für die Präsentation der Kunst aussucht, sind häufig auch die Erscheinungsformen der Arbeiten. Zurzeit zeigt er im Tiergarten Kunst, die man mit bloßem Auge überhaupt nicht erkennen kann. Das will er uns gerne zeigen und da der Tiergarten ein ganzes Stück entfernt ist, hat er uns die Ausstellung kurzerhand mitgebracht: Sie ist nun unweit des Ephra Ateliers im Weinbergspark installiert. Eine ganze Ausstellung einfach so quer durch die Stadt transportieren – ist das nicht sehr aufwändig? Da werden wir uns noch wundern. Als wir im Park ankommen sind die einzigen Kunstwerke, die wir auf den ersten Blick erkennen können, vereinzelte Bronzestatuen. Aber die sehen wirklich nicht so aus, als hätte Vlado sie gemacht! Stattdessen hält er uns ein Smartphone vor die Nase und fordert uns dazu auf, auf Entdeckungsreise zu gehen. Und tatsächlich passiert plötzlich allerhand um uns herum: Hier kommt uns ein schwerfälliger Laster entgegen, dort wirbelt der Wind buntes Laub auf. Unzählige Bretter fliegen durch die Luft, um sich bald darauf zu einem imposanten Turm zusammenzusetzen. Daneben schwebt ein drachenartiges Monster in blau und rosa hoch über der Wiese. 

Von Ephra-unterwegs-Kindern entwickelte Animationen auf einem IPad

Vlado erklärt uns, dass diese Technik AR oder Augmented Reality genannt wird. Das ist Englisch und bedeutet „erweiterte Realität“. Im Gegensatz zur Virtual Reality, in der man ganz und gar in eine digitale Welt abtaucht, legt sich AR wie eine zweite Ebene auf unsere Umgebung und verschmilzt mit ihr. Doch wie wird diese erweiterte Realität entworfen? Die Wesen und Objekte sehen nicht aus, als wären sie gezeichnet oder abgefilmt. Zurück im Atelier zeigt uns Vlado eine kostenfreie Webseite und erklärt uns die Funktionen, mit denen wir einen Ball verformen, einfärben und ihn somit in die unwahrscheinlichsten Kreaturen verwandeln können. Bevor Vlado zum zweiten Punkt kommt, haben wir aber bereits fast alles selbst rausgefunden – mit digitalen Programmen kennen wir uns nämlich ziemlich gut aus. Vlado staunt nicht schlecht, als wir ihm unsere Monster, Figuren sowie spinnen- und krebsartigen Fantasiewesen präsentieren. Leider reicht die Zeit nicht, unsere Kreaturen tatsächlich in den Raum zu pflanzen und mit der Realität verschmelzen zu lassen. Es würde uns allerdings nicht wundern, wenn wir ihnen schon bald auf unserem Schulweg begegnen würden...

Von Ephra-unterwegs-Kindern entwickelte Animationen auf einem IPad
Von Ephra-unterwegs-Kindern entwickelte Animationen auf einem IPad
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