Von Pilzen und der Natur lernen mit The Mycological Twist

Heute werden wir herzlich von Eloïse Bonneviot und Anne de Boer in ihrem Atelier in Tempelhof empfangen. Sie sind beide Künstler*innen und zusammen nennen sie sich The Mycological Twist!

Eloïse kommt aus Paris und spricht nicht so gut Deutsch, dafür fällt es Anne als Niederländer viel leichter. Er verspricht, für Eloïse zu übersetzen, wenn sie etwas nicht versteht (oder wir sie nicht). Anne erzählt uns, dass sie sich in Amsterdam kennengelernt haben. In London und Paris haben die beiden auch schon gelebt und jetzt sind sie seit drei Jahren in Deutschland. (Außerdem klärt er uns auf, dass Anne in den Niederlanden ein Männername ist.)

Swimmingpool im Atelier von The Mycological Twist.
Spielfiguren von The Mycological Twist
Eine Kiste voller Wolle im Atelier von The Mycological Twist.

Wir gucken uns in ihrem Atelier um und sehen bonbonfarbene, schillernde Figuren. Eine Kiste voller Wolle und Textilien. Einen kleinen Swimmingpool ohne Wasser drin, dafür mit allerhand anderen Dingen. So ganz werden wir aus allem noch nicht schlau, weshalb die beiden ein bisschen erzählen und wir Fragen stellen können.

Als The Mycological Twist arbeiten Anne und Eloïse oft mit Pilzen und anderen Naturmaterialien, die sie in ihrer Umgebung finden: Holz, Moos, Pflanzen. Und sie erfinden auch Spiele – Brettspiele und Videospiele. (Außerdem wollen sie ein Spiel entwickeln, das eine Mischung aus Video- und Brettspiel sein soll und bei dem das Publikum Einfluss auf das Videospiel haben kann. Aber das ist noch Zukunftsmusik…) In ihren Spielen geht es immer um unsere Umwelt und darum, wie Menschen, Tiere, eigentlich alles in der Natur sich zueinander verhält. Dabei kann man sich viel abgucken und lernen! Zum Beispiel müssen die Spieler*innen sich in nicht-menschliche Charaktere reinversetzen. Wie wäre das Leben auf der Welt als Pilz, als Stein, als Wolke?

Eloïse Bonneviot und Anne de Boer in ihrem Atelier.

Ein anderes Brettspiel heißt Troll Swamp, also Troll Sumpf. Ob wir wissen, was Trolle sind, fragt Anne? Wir denken sofort an Wesen wie bei „Herr der Ringe“ oder aus der Harry Potter-Welt. Anne fügt hinzu, dass es auch online Trolle gibt. Das sind Personen, die im Internet absichtlich Menschen ärgern, stören oder beleidigen. Die schillernden Figuren auf dem Tisch sind Charaktere aus Troll Swamp, denen man im Laufe des Spiels immer wieder begegnet – zum Beispiel der Mann, der im Wald lebt (und selbst ein bisschen wie ein Baum aussieht) oder die Frau, die nur Dinge mit Spiruliuna, einer bestimmten Alge, isst. Anne und Eloïse haben die Figuren am Computer entworfen und dann mit dem 3D-Drucker aus Maisstärke gefertigt.

Die Arbeiten von The Mycological Twist kann man in Ausstellungen und Museen sehen, manchmal aber auch im Theater oder auf Festivals. Meistens machen sie eine Rauminstallation – richten also das Spiel und alle zugehörigen Objekte im Raum ein –, so dass die Besucher*innen das Kunstwerk betreten und das Spiel spielen können. Die Textilien sind oft Teil des Spiels, sie dienen zum Beispiel als Spielbrett und viele sind mit Pilzen gefärbt. Anne erzählt uns, dass sie sich schon lange für Pilze interessieren und jeden Herbst welche sammeln. Was die Beiden so begeistert, ist die Rolle von Pilzen in der Natur und das komplexe Netzwerk, das sie bilden. Eloïse erklärt, dass das, was über der Oberfläche wächst, nur die Frucht ist, der eigentliche (wenn man so will) Baum aber unter der Erde liegt – das Mycel. Durch das Mycel im Erdreich ist alles verbunden – Pflanzen, Bäume, Flüsse, Pilze – und darüber kommunizieren Pilze miteinander und mit ihrer Umwelt. (Nicht ohne Grund wird das Mycel „das Internet der Natur“ genannt.) Wenn ein Baum beispielsweise Wasser braucht, der Bach aber zu weit weg ist, dann kann das Mycel die Information weiterleiten und dafür sorgen, dass das Bachwasser in die Baumwurzel gelangt. Verrückt, oder?

Pilze im Atelier von The Mycological Twist.

Was die beiden außerdem fasziniert, ist, dass Pilze Bäume sowohl töten, als auch heilen können. Und bei Menschen und Tieren ist das nicht anders: Manche Pilze sind köstlich, andere hingegen total giftig, wenn man sie isst. Darüber hinaus kann man mit einigen Pilzen schön färben (das ist Eloïses Spezialgebiet), und aus anderen sogar Papier oder sowas wie Kunstleder herstellen. Was für Multitalente!

Und jetzt dürfen wir selbst kleine Tücher mit Indigo färben – genauer gesagt: batiken. Indigo ist zwar kein Pilz, aber eine Pflanze, die schon seit Jahrhunderten für das Färben von Stoffen verwendet wird. Batik ist ein Stofffärbeverfahren, bei dem stellenweise keine Farbe an das Textil kommen soll. Wir umwickeln also den schon feuchten Stoff (dann nimmt er den Indigosud besser auf) mit einigen Gummis, bilden Zipfel für Kreise oder Raffungen für Linien. Zu viele sollten es aber nicht sein, weil ja auch noch genügend Flüssigkeit an den Stoff kommen soll. Anne tunkt die umwickelten Tücher dann in den großen Bottich mit Indigo und übergibt sie zurück in unsere behandschuhten Hände. Aus dem Behälter stinkt es ganz schön nach faulen Eiern! Im Anschluss entfernen wir die Gummis und breiten die Stoffe aus, so dass überall Luft rankommt. Indigo reagiert nämlich auf Sauerstoff und entwickelt dann erst die typische Färbung. Wir warten kurz, während sich die Farbe von Gelb über Grünlich zu Blau entwickelt. Nach dem Auswaschen färbt nichts mehr ab und der Stoff ist lichtbeständig.

Ganz glücklich über unsere kleinen Werke verabschieden wir uns von The Mycological Twist. Wir haben heute viel gelernt und Dank ihnen sehen wir Pilze nun mit ganz anderen Augen!

Ephra-unterwegs-Kinder färben Stoffe im Atelier von The Mycological Twist.
Ephra-unterwegs-Kinder färben Stoffe im Atelier von The Mycological Twist.
Ephra-unterwegs-Kinder färben Stoffe im Atelier von The Mycological Twist.
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