Wie Malte Zenses durch Kunst die Welt versteht

Heute befinden wir uns im Norden Berlins, in einem Industriegebiet. Was wir hier suchen? Das Atelier von Malte Zenses! Auch wenn man es bei diesem Haus, inmitten des regen Betriebs einer Schreinerei, gar nicht vermutet – hier im 1. Stock hat auch der Künstler seinen Arbeitsplatz.

Ein Industriegelände ist zu sehen.
Ein Industriegelände ist zu sehen.

Malte teilt sich die hellen Räumlichkeiten mit befreundeten Künstler*innen. Wenn man den Blick durch die zwei großen Atelierräume schweifen lässt, erkennt man sofort, dass hier ganz unterschiedliche Menschen arbeiten, denn jede Zimmerecke sieht anders aus: aufgeräumt, etwas chaotisch, mit Bildern an der Wand oder (Bau-)Material im Raum.

Im Vordergrund sind Kunstmaterialien wie Pinsel und Farben zu sehen. Im Hintergrund abstrakte Bilder von Malte Zenses.

Den saubersten und ordentlichsten Arbeitsplatz hat auf jeden Fall Malte. Hier stehen alle Farben zusammen, die meisten Leinwände im Regal und sogar die Pinsel liegen fein säuberlich in Reih und Glied nebeneinander. Aber Moment – warum ist da ein Fläschchen mit Nagellack?

 
Auf dem Daumen eines Ephra unterwegs-Kindes ist ein roter Nagellackpunkt.

Malte erklärt uns, dass er damit ab und zu kleinere Details in seinen Bildern malt. Er liebt Lack, weil die Farbe wie flüssiges Plastik ist, wenn man sie dick aufträgt. Das zeigt er uns auf dem Daumennagel eines Mitschülers, wo ein kleiner erhabener roter Punkt entsteht. (Seine eigenen Nägel bemalt Malte auch gerne mit Nagellack.)

Bevor wir ihn mit weiteren Fragen zu den Utensilien löchern, schauen wir uns nochmal in Ruhe in Maltes Bereich um, um zu verstehen, was er eigentlich genau macht: Wir sehen vier Leinwände an der Wand, teils aufgespannt, teils noch nicht, mit geschwungenen Linien, Farbklecksen, etwas Schrift. So richtig sagen, was das alles darstellt, können wir aber nicht!
Auf einem der Bilder steht unter einem blauen Viereck (das wir später und von weiter weg als Ausschnitt eines Männergesichts erkennen) „There was no light, brother. Just the fire.“ Und auch das gibt uns Rätsel auf. „Ich versteh, was da steht, aber nicht, was es bedeutet“, gibt einer von uns kleinlaut zu.

Auf einem Bild von Malte Zenses ist ein blaues Viereck mit einem Gesicht eines Mannes, darunter steht der Satz "There was no light, brother. Just the fire.".
Durch ein Regalbrett mit Werkzeugen sehen wir ein abstraktes Bild von Malte Zenses mit wilden Pinselstrichen in Schwarz, Rosa und Blau.

Malte lächelt und zeigt rüber in den Bereich seines Atelierkollegen. Bei dem kann man immer ganz genau sagen und erkennen, was er malen wollte: einen Fisch, einen Menschen, eine Landschaft. Auch wenn Malte ebenfalls so figurativ – also wirklichkeitsgetreu – malen könnte, findet er das eher langweilig. Viel lieber malt er Sachen, die er selbst nicht versteht. Dinge, die nichts Konkretes abbilden oder keinen Sinn ergeben. Abstrakt eben.

Wir wollen von Malte wissen, woher seine Ideen kommen. Der Künstler antwortet, dass ihn ganz viele Sachen auf der Welt nerven, wütend und traurig machen (Politik, die Nazis, Rassismus, Krieg …). Aus diesen starken Gefühlen schöpft er seine Kreativität und verarbeitet sie. Aber auch Filme, Musik(videos), Bilder, Zitate und vieles mehr inspirieren ihn. Oft malt er dabei in Serien – das sind mehrere Bilder, die zusammengehören. (Eine vierteilige sehen wir zum Beispiel an der Wand.) Wie im Fernsehen oder bei Netflix erzählt die Serie eine Geschichte, die in kleine Portionen unterteilt ist. Und auch wenn die Serie eine zusammenhängende Idee verfolgt, kann jedes Bild eine eigene Geschichte abbilden oder ganz anders aussehen als die anderen, sodass sich alle Teile ergänzen.
Mit dieser Erklärung im Hinterkopf gucken wir noch einmal auf die „There was no light, brother“-Gemälde und haben das Gefühl, sie schon etwas besser zu verstehen, auch wenn alle etwas anderes darin sehen. Aber das ist eigentlich das Tolle daran!

Malte Zenses zeigt auf die Tattoos auf seiner Hand.

Dann sprechen wir noch über viele andere Dinge: Maltes Vorbilder (seine Mama, Freund*innen, Punk-Kunstleute aus den 80ern), Hobbies (Musik machen, er kann richtig viele Instrumente spielen), Tattoos (Malte ist ganz doll tätowiert und hat viel auf sich selbst geübt, aber je älter er wird, umso mehr tut es weh; im Atelier haben er und sein Kollege David sogar ein hauseigenes Tattoo-Studio eingerichtet!), Schule (er ist von der Schule geflogen und hat kein Abitur gemacht, konnte aber über Umwege dann doch Kunst studieren), Netzwerke (wie wichtig sie sind, im privaten und beruflichen Kontext) und wie man damit umgehen kann, dass die Welt gerade so kaputt geht. Malte findet, dass demonstrieren immer ein guter Weg ist, um zu zeigen, was uns wichtig ist, was uns bewegt oder gegen den Strich geht.

Malte Zenses rackert das Demoschild eines Ephra unterwegs-Kindes  an einen Stock. Auf dem Schild steht "god will save us".
Auf dem Schild eines Ephra unterwegs-Kindes steht "mich stört Alles!" Keinen Bock auf Schule lieber zocken "
Auf dem Boden malen die Ephra unterwegs-Kinder ihre Demoschilder.

Deswegen malen und schreiben wir zusammen auf, wie die Welt besser werden könnte. Unsere Demoschilder sehen ganz unterschiedlich aus, gemeinsam ergeben sie aber eine bunte und starke Einheit aus verschiedensten Forderungen und Wünschen. Am Ende des Besuchs gehen wir gemeinsam mit unseren Schildern (und vielen neuen Eindrücken) im Pulk zurück durch das Industriegelände – wie auf einer richtigen Demo!

Die Ephra unterwegs-Kinder demonstrieren auf dem Industriegelände mit ihren Schildern.
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